Prolog – die Macht der Begierde
Irgendwann war es dann so weit und ich hielt es nicht mehr aus: Applikationen satt, Surfen überall, E-Mail überall, alle Termine und Kontakte dabei, die Musiksammlung immer parat – ich wollte ein iPhone haben. Da es das iPhone leider nur bei einem Vertreiber in Deutschland gibt, machte ich mich auf zum nächstgelegenen T-Punkt. In der Vergangenheit hatte ich unterschiedliche Erfahrungen mit dem rosa Riesen gemacht, aber der Sieg über die Mächte der Finsternis waren schon immer der Preis für große Erfolge.
Erster Akt – der Beginn der Jenseitsreise
Es begab sich an einem Samstag, dem Tag an dem arbeitende Menschen Zeit haben Dinge zu erledigen, als ich mich aufmachte, mich der Herausforderung zu stellen. Der Ort der Finsternis lockte mich mit Kraft: große, leuchtende Fenster in denen das Objekt der Begierde zu sehen war, freundliche Wärter der Vorhölle sowie weit und breit niemand zu sehen, der bei der schwierigen Aufgabe im Weg stehen würde.
Zweiter Akt – die Vorhölle
Freundlicher Sirenengesang durch eine adrette Verkäuferin empfing mich und sie fragte nach meinen Wünschen. Ich erläuterte, das iPhone haben zu wollen und nannte meinen Wunschtarif. Gegen alle Befürchtungen war das gewünschte Gerät mit der passenden Ausstattung verfügbar und ich sah mich schon im Geiste auf dem heimischen Sofa sitzen und alle wunderbaren Funktionen ausprobieren. Nachdem ich den Wunsch mitteilte, meine bisherige Rufnummer behalten zu wollen, loderten die ersten Flammen: Ich hatte nur eine rosa Prepaid Karte, keinen „richtigen“ Vertrag. Also muss ein riesiges Formular ausgefüllt werden, weil die Rufnummernmitnahme von einer Prepaidkarte ein so unglaublich komplexer Vorgang ist.
Zweiter Akt – aus der Tiefe des Höllentrichters
Moderne Höllen bestehen keineswegs aus lodernden Flammen, glühender Lava oder einem geschärften, sich ins Fleisch bohrenden Dreizack, sondern aus Formularen. Zunächst musste das Formular angefordert werden. Im Computerzeitalter ist es nicht wirklich völlig verständlich, dass dazu die Verkäufern rumtelefonieren muss, bis der gewünschte Gesprächspartner gefunden wurde, danach das Formular per Fax zugesendet werden muss und dies, da das Formular ca. 8 Seiten hatte, lange dauerte. Das Anfordern dauerte übrigens ebenso lange wie der nachfolgende Ausdruck.
Doch es gab kein Weg zurück. Der Weg führte immer Tiefe in die Hölle. – Das Formular musste ausgefüllt werden. Von Beginn der Reise bis zu diesem Zeitpunkt waren etwa 30 Minuten vergangen. Während der langen Zeit lag das iPhone auf der Theke und schien zu sagen: „Du willst mich haben? Dann musst Du mich verdienen“. Ich half so gut ich konnte, das Fomular auszufüllen und unterschrieb unzählige Male. Endlich war das Formular bearbeitet und ich schob dunkle Wolken beiseite und sah das iPhone freudig an.
Dritter Akt – der Sumpf der zornigen Seelen
Die freundliche Mitarbeiterin erklärte mir, dass die Faxbotschaft jetzt an den Hadesrichter selbst gesendet werden würde. Er wird mein Begehren prüfen und müsse sein Einverständnis zum Kauf des iPhones geben. Das wird voraussichtlich zwei bis drei Stunden dauern und ich soll doch dann noch einmal wiederkommen. Ich gestehe – der Wunsch nach dem iPhone wich Ungeduld und ich bat darum, angerufen zu werden, wenn das bestätigte Fax vom Hadesrichter zurückgekehrt sei. Dies wurde zugesichert und ich begann mir einen Plan zu machen, wie ich die Zeit bis zum iPhone vertreiben könne. Der Hadesrichter hatte leider zu viel anderes zu tun und nach vier Stunden erhielt ich die Nachricht, dass der Antrag heute nicht bearbeitet werden würde und ich mich bis Montag gedulden solle. Da wäre sie selbst nicht da, aber alle Informationen wären einem Kollegen gegeben worden, der mich Montag anrufen und die Angelegenheit dann zum Abschluß bringen würde. So verließ ich die Hölle für das Erste – ohne iPhone.
Vierter Akt – lasst alle Hoffnung fahren
Der Montag verging und lange nach dem Mittagessen beschloss ich, Kontakt mit der Hölle aufzunehmen um feststellen zu können, was denn mit meinem Formular und dessen versprochener Bearbeitung loswar. Ich suchte im Internet nach der Telefonnummer des Verkaufbüros und fand eine einzige, generelle Nummer. Telefonisch ergaben sich daraufhin folgende Höllenreisen:
1. Anruf – Sprachcomputer – kein Menüpunkt der sinnvoll erschien – aufgelegt. Weitere Nummer gesucht, andere Nummer gefunden.
2. Anruf – Sprachcomputer – irgendwann ein Mensch. Nachdem ich ihm in fünf Minuten geschildert hatte worum es ginge erklärte er mir, er wäre nicht im zuständigen T-Punkt sondern in der Servicezentrale. Er würde versuchen mich zu verbinden. Die Verbindung kam nicht zu stande, statt dessen Verbindungsabbruch.
3. Anruf – Sprachcomputer – irgendwann ein Mensch. Natürlich nicht der gleiche Mensch. Er könne auch nicht den Mensch benennen, der vorher mit mir sprach, was ich den wünsche. Ich bat darum, mit dem T-Punkt verbunden zu werden, was auch nicht glückte. Immerhin merkte er es und gab mir die direkte Telefonnumer des T-Punktes. (Warum die so geheim sind, möchte ich gerne mal wissen).
4. Anruf – T-Punkt – ein Mensch. Ich erklärte ihm fünf Minuten lang worum es ging. Dann erklärte er mir, dass er in der Sevicezentrale säße und der Anruf weitergeleitet worden sei. Er könne mich verbinden, wenn ich wolle. Der Versuch ging schief.
5. Anruf – T-Punkt – ein Mensch. Teilweise geläutert fragte ich, ob ich im T-Punkt sei. Nein, erklärte mir der Mensch und ich gestehe, ich legte einfach entnervt auf.
6. Anruf – T-Punkt – ein Mensch. Im T-Punkt. Ich erklärte ihm in fünf Minuten den Sachverhalt und der Mensch meinte, er wäre nicht im Verkauf und könne die Kollegen nicht erreichen, da diese Kundschaft hätten. Er würde eine Nachricht hinterlassen, dass ich zurückgerufen werden würde.
Fünfter Akt – Höllenqualen
Nachdem stundenlang kein Rückruf kam, entschloss ich mich, erneut die Hölle aufzusuchen. Die Mächte der Finsternis ahnten das, denn 20 Meter vor dem Hölleneingang erreichte mich der Anruf. „Es gäbe ein Problem mit dem Formular, ob ich vorbeikommen könne.“ – Mittlerweile war ich im Laden, stand vor dem telefonierenden Verkäufer und sagte ihm: „Bin da.“ Das ihm fast das Telefon aus der Hand fiel, war das bis dahin erfreulichste. Mir wurde erklärt, dass es ein Fehler im Formular gab und es nochmal ausgefüllt werden müsse. Höllenqualen leidend füllten wir das Formular erneut aus und er meinte, ich könne das iPhone dann schon mitnehmen. Die lodernden Flammen in meiner Seele fingen an sich zu verziehen.
Dann meinte der Verkäufer, es würde allerdings zwei bis drei Tage dauern, bis der Tarifwechsel vollzogen sei und ich solle besser das iPhone noch nicht verwenden, da das Surfen sonst sehr teuer über meinen alten Tarif abgerechnet werden würde.
So sitze ich hier, schaue mein altes Handy an, leide Höllenqualen und warte auf die SMS, die mir den Tarifwechsel bestätigt, damit ich das iPhone endlich aus dem Schrank holen und benutzen kann …
Schicke Geschichte. Bin mal gespannt was passiert wenn der Exclusiv-Vertrag mit T-Mobile ausläuft…
Wenn sie je ein Buch mit diesem mir Schmunzler entlockenden Schreibstil schreiben sollten (Thema fast egal) bitte bescheid sagen, ich wills haben 😀
Und wie war das doch gleich…“wenn die Telek. streikt fällt das doch garnicht auf“ 😀
Wunderbar geschrieben! Dante könnte es nicht besser.